Wegweisendes BAG-Urteil zum Weihnachtsgeld: Freiwilligkeitsvorbehalt schützt Arbeitgeber nicht

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 25.01.2023 (Az. 10 AZR 116/22) eine wichtige Entscheidung zur betrieblichen Übung bei Weihnachtsgeld getroffen.

Ein Arbeitnehmer aus Villingen-Schwenningen erhielt seit 2010 regelmäßig Weihnachtsgeld, zunächst 400 Euro und später 1.500 Euro, obwohl kein vertraglicher Anspruch bestand. Der Arbeitgeber versah die Zahlungen stets mit dem Vermerk „freiw. Weihnachtsgeld“. Als der Mitarbeiter 2018 erkrankte, stellte der Arbeitgeber die Zahlungen ein.

Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt ist ein zentrales arbeitsrechtliches Instrument, mit dem Arbeitgeber verhindern möchten, dass bestimmte finanzielle Leistungen zu einem dauerhaften Bestandteil des Arbeitsvertrags werden. Die rechtliche Bedeutung ist erheblich, da ohne einen wirksamen Vorbehalt bereits nach dreimaliger Zahlung eine betriebliche Übung entstehen kann.

Als Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterliegt der Freiwilligkeitsvorbehalt einer strengen gerichtlichen Kontrolle. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Rechtsprechung klare Grenzen gezogen: Der bloße Hinweis „freiwillige Leistung“ reicht nicht aus, um einen Anspruch auszuschließen. Besonders wichtig ist, dass der Vorbehalt nicht für Leistungen mit Entgeltcharakter verwendet werden kann.

Ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt muss bei jeder einzelnen Leistungsgewährung neu erklärt werden. Eine einmalige pauschale Regelung im Arbeitsvertrag genügt nicht. Zudem dürfen Freiwilligkeits- und sogenannte Widerrufsvorbehalte nicht kombiniert werden, da dies nach der Rechtsprechung intransparent und damit unwirksam ist. Ein Widerrufsvorbehalt ist eine arbeitsvertragliche Klausel, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, bestimmte Leistungen durch einseitige Erklärung zu widerrufen. Im Gegensatz zum Freiwilligkeitsvorbehalt, bei dem von vornherein kein Rechtsanspruch entstehen soll, geht es beim Widerrufsvorbehalt um bereits bestehende Ansprüche, die nachträglich wieder beseitigt werden können.

Die rechtlichen Anforderungen an einen wirksamen Widerrufsvorbehalt sind hoch. Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass der Vorbehalt klar und eindeutig formuliert sein muss und konkrete Widerrufsgründe zu benennen sind. Eine pauschale Formulierung genügt nicht. Zudem muss der Widerrufsvorbehalt für den Arbeitnehmer zumutbar sein.

Besonders wichtig sind die quantitativen Grenzen: Maximal 25% des Gesamteinkommens dürfen widerruflich gestellt werden. Dabei darf durch den Widerruf der Tariflohn nicht unterschritten werden. Der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses muss unangetastet bleiben. Die Ausübung des Widerrufsrechts unterliegt zudem dem billigen Ermessen nach § 315 BGB. Der Arbeitgeber muss die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen und den Widerruf sachlich begründen können.

In der Praxis dient der Widerrufsvorbehalt Arbeitgebern als flexibles Instrument zur Anpassung von Arbeitsbedingungen, insbesondere bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Er stellt eine mildere Alternative zur Änderungskündigung dar. Häufige Anwendungsfälle sind etwa Weihnachtsgeld, Zulagen oder andere Sonderleistungen. Wichtig ist jedoch die sorgfältige rechtliche Gestaltung, da unwirksame Widerrufsvorbehalte zur Folge haben, dass die betroffenen Leistungen dauerhaft geschuldet werden.

Im vorgenannten Urteil stellte das BAG zum Freiwilligkeitsvorbehalt klar:

  • Der bloße Vermerk „freiwilliges Weihnachtsgeld“ reicht nicht aus, um einen Anspruch für die Zukunft auszuschließen.
  • Eine dreimalige vorbehaltlose Zahlung begründet eine betriebliche Übung.
  • Die Arbeitsunfähigkeit schließt den Anspruch nicht aus, wenn das Weihnachtsgeld nicht ausdrücklich an die Arbeitsleistung geknüpft ist.

Folgende Formulierungen wurden vom Bundesarbeitsgericht bereits zuvor für unwirksam gehalten:

  •  „Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind freiwillig und jederzeit widerruflich. Auch wenn der Arbeitgeber sie mehrmals und regelmäßig erbringen sollte, erwirbt der Arbeitnehmer dadurch keinen Rechtsanspruch für die Zukunft.“ (BAG, Urteil vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10)
  • Klauseln, die jedwede zusätzlich zum Arbeitsvertrag erbrachten Leistungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.01.2022, Az.: 9 Sa 66/21)
  • „Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass die Gewährung sonstiger, in diesem Arbeitsvertrag nicht geregelter, Leistungen freiwillig und ohne Anerkennung einer etwaigen Rechtspflicht erfolgt.“ (BAG, Urt. v. 20.2.2013 10 AZR 177/12)
  • Die bloße Bezeichnung als „freiwillige Leistung“ (BAG, Urt. v. 23.10.2002 10 AZR 48/02)
  • Freiwilligkeitsvorbehalte, die Leistungen mit Entgeltcharakter umfassen
  • „Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen sind freiwillig und jederzeit widerruflich“
  • „Alle zusätzlichen Leistungen erfolgen freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“
  • „Die Zahlung von Sonderzuwendungen liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers“
  • Pauschale Vorbehalte, die alle künftigen Leistungen erfassen
  • Kombinationen von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten in einer Klausel

In der Praxis sollten daher bei Sonderzahlungen folgende Punkte beachtet werden:

  • Anspruchsvoraussetzungen klar und schriftlich regeln
  • Kürzungsvereinbarungen für Krankheitsfälle explizit treffen
  • Den Freiwilligkeitsvorbehalt präzise formulieren

Die neue BAG-Rechtsprechung stärkt die Position der Arbeitnehmer erheblich. Pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte bieten keinen ausreichenden Schutz mehr für Arbeitgeber. Eine sorgfältige und rechtssichere Gestaltung von Freiwilligkeitsvorbehalten ist wichtiger denn je. Arbeitgeber sollten ihre bestehenden Formulierungen überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um ungewollte Ansprüche der Arbeitnehmer zu vermeiden.

Eine rechtssichere Formulierung sollte stattdessen konkret die jeweilige Sonderzahlung benennen und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass kein Rechtsanspruch für die Zukunft entsteht. Im Zweifelsfall empfiehlt sich die Konsultation eines Fachanwalts für Arbeitsrecht.