Entscheidet nur der Arbeitgeber, wer entlassen wird? (Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 28. März 2017 – 2 AZR 551/16 -)

Die Entscheidung, ob ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter entlässt, trifft grundsätzlich der Arbeitgeber selbst. Auch bei schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers kann ein Arbeitgeber sich dafür entscheiden, einen Arbeitnehmer nicht zu entlassen. Zwar muss der Arbeitgeber in Betrieben, in denen das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, eine Vielzahl von Regelungen und Voraussetzungen bei dem Ausspruch einer Kündigung beachten. So muss unter anderem ein Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz vorliegen (vergleiche betriebsbedingte Kündigung, verhaltensbedingte Kündigung und personenbedingten Kündigung). Das betrifft aber lediglich die Wirksamkeit und Zulässigkeit einer solchen Kündigung. Entscheidet sich ein Arbeitgeber, keine Kündigung auszusprechen, so ist das grundsätzlich seine Entscheidung.

Auch bei einer sogenannten Druckkündigung, in denen Dritte die Entlassung eines Mitarbeiters fordern, steht es dem Arbeitgeber grundsätzlich frei, ob er sich dem Druck dieser Dritten gebeugt oder nicht. Über einen gesetzlichen Ausnahmefall hatte nunmehr das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden, ob eine solche Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer auch wirksam ist.. Nach § 104 Betriebsverfassungsgesetz kann ein Betriebsrat unter gewissen Voraussetzungen vom Arbeitgeber verlangen, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zu dem betreffenden Mitarbeiter kündigt.

Der Wortlaut des § 104 Betriebsverfassungsgesetz lautet:

Hat ein Arbeitnehmer durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigungen, den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört, so kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung verlangen. Gibt das Arbeitsgericht einem Antrag des Betriebsrats statt, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Entlassung oder Versetzung durchzuführen, und führt der Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider nicht durch, so ist auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Entlassung oder Versetzung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro.

Der Arbeitgeber in dem entsprechenden Prozess hatte sich zunächst geweigert, den Mitarbeiter zu entlassen. Nachdem er hierzu jedoch aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Urteils, welches der Betriebsrat gegen ihn erstritten hatte, verpflichtet worden ist, sprach der Arbeitgeber eine fristlose und eine ordentliche Kündigung aus. Das Arbeitsgericht hatte insoweit den Arbeitgeber lediglich verpflichtet, den Mitarbeiter zu entlassen. Im Rahmen des streitigen Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht ging es nunmehr um die Frage, ob der Arbeitnehmer wirksam entlassen worden ist. Denn der Betrieb beschäftigte mehr als zehn Mitarbeiter und der Angestellte war länger als sechs Monate in dem Betrieb beschäftigt, sodass der Arbeitgeber grundsätzlich einen Kündigungsgrund im Sinne des § Kündigungsschutzgesetz benötigte, um eine wirksame Kündigung auszusprechen. Über das Vorliegen eines solchen Kündigungsgrundes gab es vor dem Arbeitsgericht zwischen dem Arbeitgeber und dem zu entlassenden Mitarbeiter unterschiedliche Auffassungen. Hierbei ist wichtig zu wissen, dass grundsätzlich der Arbeitgeber für das Vorliegen eines solchen Kündigungsgrundes beweispflichtig ist. Das Bundesarbeitsgericht hat in dem vorgenannten Urteil nunmehr entschieden, dass aufgrund des Urteiles des Arbeitsgerichtes, welches zugunsten des Betriebsrates ausgegangen war, ein Kündigungsgrund in diesem Sinne vorlag. Das hat zur Folge, dass in dem Verfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht näher überprüft wird, ob ein solcher Kündigungsgrund vorliegt. Letztlich kann sich ein Arbeitnehmer daher nur schlecht im Rahmen eines solchen Prozesses gegen die Kündigung wehren.

Tipp: Arbeitnehmer sollten frühzeitig in solchen Fällen einen Anwalt einschalten. Denn durch eine entsprechende Beteiligung in dem ursprünglichen Verfahren zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber muss der Arbeitnehmer nach § 83 Betriebsverfassungsgesetz angehört werden. Der Arbeitnehmer kann in diesem Verfahren daher bereits das Vorliegen eines Kündigungsgrundes in Zweifel ziehen. Der Rechtsstreit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird daher in dieses Verfahren quasi mit hineingezogen. Nur hierdurch kann ein Arbeitnehmer verhindern, dass er mit weiten Teilen seines Verteidigungsvorbringens in dem Prozess zwischen ihm und seinem Arbeitgeber ausgeschlossen wird. Ein rechtzeitiges und konsequentes Vorgehen ist daher im Rahmen dieser Anhörung erforderlich.

Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes finden Sie unter dem Punkt Pressemitteilungen unter www.bundesarbeitsgericht.de (Pressemitteilung 19/17)

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