Gewonnen und doch verloren? Der Auflösungsantrag im Kündigungsschutzprozess

Das Verhalten der Prozessparteien während eines Prozesses kann die Ziele des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers leicht unerreichbar machen, wie ein Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 06.12.2022 zeigt (Urteil vom 06.12.2022, Aktenzeichen 17 Sa 139/22).

In dem Prozess stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Kündigung. Wie es im Rahmen eines solchen Prozesses üblich ist, wurden Gespräche geführt, wie sich die „Angelegenheit“ gegebenenfalls einvernehmlich durch einen Vergleich erledigen könnte. Gerade im Arbeitsrecht ist es nämlich häufig der Fall, dass ein solches Kündigungsschutzverfahren nicht durch ein Urteil endet, sondern eben durch eine Regelung, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam treffen und vereinbaren. Welche Inhalte eine solche Vereinbarung hat, variiert von Fall zu Fall. Es kann insoweit zum Beispiel zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitsverhältnisses auf Grund der Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung, der Weiterbeschäftigung und noch einer Vielzahl an weiteren Alternativen kommen.

Im Rahmen solcher Gespräche kam es in dem vorliegenden Fall dazu, dass auch über Ausgleichszahlungen für bestimmte Zeiträume gesprochen wurde. Solche Ausgleichszahlungen werden angedacht, wenn beispielsweise im Falle einer Arbeitslosigkeit oder auch längerer Krankheitsphasen Differenzen zu den „normalen“ Arbeitsentgelt gibt. Auf Grund dieser Gespräche warf der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vor, mit den in den Gesprächen angedachten Vorschlägen über zeitlich befristete Ausgleichszahlungen einen Betrug zu Lasten anderer öffentlicher Kassen angeregt zu haben. Der Arbeitgeber stellte insoweit einen sogenannten Auflösungsantrag nach § 9 Abs 1 S. 2 KSchG. Dieser kann gestellt werden, wenn eine Kündigung unwirksam ist und Gründe vorliegen, „die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.“ Das Landesarbeitsgericht nahm das alleine auf Grund der Aussage des Arbeitnehmers vorliegend an, dass der Arbeitgeber einen Betrug angeregt habe. Diese Aussage sei nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts vorliegend nicht zutreffend und hätte auch keinen Bezug zu der zuvor ausgesprochenen Kündigung, so dass mit einer den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit nicht mehr zu rechnen sei.

In der Praxis kommen solche Vorwürfe mit strafrechtlichem Bezug häufig vor. Arbeitnehmer sollen in Kündigungsschutzprozessen mit solchen Vorwürfen sehr vorsichtig sein. Denn trotz des Erfolgs hinsichtlich der Kündigung im vorliegenden Fall, die unwirksam war, verlor der Arbeitnehmer auf Grund dieses Vorwurfs seinen Arbeitsplatz.  Einerseits hatte er daher gewonnen (Kündigung), andererseits sein Arbeitsverhältnis und damit sein eigenes Ziel verloren.

Anzumerken ist hierbei aber auch, dass es erfahrungsgemäß den Gerichten durchaus leichter fällt, einem Auflösungsantrag eines Arbeitgebers als einem Antrag des Arbeitnehmers stattzugeben. Anscheinend wollen Richter solche Anträge nicht zu einem „Abfindungsantrag“ von Arbeitnehmern degradieren, auch wenn hierbei sicherlich mit zweierlei Maß gemessen wird.